Stellungnahme zur EU-Erweiterung und zu den Fortschrittsberichten der Beitrittsdkandidaten

Keine übereilte Erweiterung!

Die EU-Kommission hat jüngst Ihre Fortschrittsberichte zu den Beitrittskandidaten vorgelegt: http://ec.europa.eu/enlargement/countries/strategy-and-progress-report/index_de.htm

Wenn man diese Berichte liest und die momentane Lage der EU sich vergegenwärtigt, dann kann man dem Vorschlag von Bundestagspräsident Norbert Lammert, die Erweiterung vorläufig zu stoppen, schon etwas abgewinnen. Der aktuelle Monitoring Bericht über Kroatien z.B. liest sich wie eine lange Hausaufgaben-Liste. Am Ende des Berichts werden 10 Punkte besonders hervorgehoben, die bis zum geplanten Beitrittstermin 01.07.2013 erfüllt werden müssen.


Bedenken ruft dabei u.a. die Forderung hervor, dass die Kapazitäten für die Übersetzung des Besitzstandes noch erweitert werden müssen, weil von den 144.000 Seiten des Besitzstandes der EU (acquis communautaire) erst 114.000 ins Kroatische übersetzt sind. Zudem sind die Grenzübergangsstellen noch nicht fertiggestellt und der ordnungsgemäße Betrieb des Schengen-Informations-Systems kann derzeit wohl auch noch nicht gewährleistet werden – um nur zwei weitere Punkte zu nennen.

Beitritte nur, wenn die Hausaufgaben gemacht worden sind!

Sollten alle Hausaufgaben nicht bis zum Beitritt gemacht worden sein, sollte von deutscher Seite der Beitritt nicht befürwortet werden, denn die bisherige Praxis der Erweiterung hat wohl mit zu der derzeitigen Krise beigetragen und die jüngsten Erfahrungen mit Rumänien, Bulgarien und Ungarn in Bezug auf demokratische und rechtsstaatliche Standards sowie in wirtschaftlicher Hinsicht besonders der Fall Griechenland sollten eine Mahnung sein – Kroatien hat ebenfalls eine hohe Auslandsverschuldung. Dass Kroatien der EU beitreten wird, steht außer Frage – es geht lediglich darum, zu prüfen, ob der bisherige Termin beibehalten werden soll. Zunächst sollte angesichts der Schuldenkrise weiter konsolidiert werden.

Zur Türkei: Auch hier lässt der Bericht der Kommission erhebliche Zweifel aufkommen, ob eine Beitrittsreife in den nächsten Jahren überhaupt erreicht werden kann. Wenn ein Land, das der EU beitreten möchte, die Präsidentschaft eines Mitgliedsstaat der EU – wie derzeit die Zyperns – nicht anerkennt bzw. die Beziehungen für den Zeitraum dieser Präsidentschaft einfriert, kommt ein Beitritt ohnehin nicht in Frage. So lange die Zypernproblematik nicht gelöst ist – aber auch solange die Behandlung der Minderheiten in der Türkei – insbesondere der Aleviten, Kurden und Christen – nicht europäischen Standards genügt, sollte es nicht zu einem Beitritt kommen. Dementsprechend wird aus hiesiger Sicht die seitens der CDU favorisierte privilegierte Partnerschaft langfristig angelegt sein müssen, denn eine baldige Lösung der Zypernproblematik ist wohl leider nicht zu erwarten. Es stellt sich aber auch die Frage, wie engagiert die Türkei von sich aus das Ziel eines EU-Beitritts überhaupt noch verfolgt.

Marc Würfel-Elberg, Europabeauftragter CDU Münster